Alles neu macht der … April
Es ist so weit: textplus wird 4. Wär’s ein echtes Kind, würde ich jetzt vermutlich die Jausentasche für den ersten Kindergarten-Tag packen und hätte wieder mehr Zeit für mich. Obwohl textplus nur ein Kind im Geiste ist, werde ich genau das machen: Mir mehr Zeit für mich selbst nehmen. Für mich und alle Ideen, die mir im Kopf herumgeistern oder die es im Moment noch gar nicht gibt.
Konkret heißt das, dass ich nur mehr 3 Tage in der Woche für klassische Text-Projekte einplane. An den restlichen Tagen arbeite ich an meinen Kalligrafie-Künsten und verfeinere meine Handschrift. Vielleicht schaffe ich es auch, mehr Zeit in der Natur oder mit meiner Nichte zu verbringen. Soweit der Plan.
Für klare Worte braucht man einen klaren Kopf
Es ist ganz klar limitiert, wie lange ich konzentriert an einem Text arbeiten kann. Im Grunde lebe ich daher dieses 60%-Modell schon seit Beginn meiner Selbstständigkeit. Aber nicht bewusst oder in dieser strukturellen Klarheit, sondern, weil es sich einfach so ergeben hat. Ich habe relativ schnell verstanden, dass es mir nichts bringt, wenn ich mich hier selbst beschwindle und auch dann noch vorm Computer sitze, wenn mein Kopf schon abgeschaltet hat. Denn selbst wenn ich keine Pauschale vereinbare, würde ich solche Zeiten nicht an meine Kunden weiter verrechnen.
Mittlerweile kenne ich die Grenzen meiner Konzentrationsfähigkeit sehr gut. Ich überschreite sie nur mehr selten. Erstens leidet die Qualität meiner Arbeit darunter und zweitens frustriert es mich, wenn mein Gehirn langsamer arbeitet als gewohnt. Deshalb setze ich mir meine Pausen sehr bewusst und ab sofort noch bewusster. Der große Vorteil für meine Kunden: Mein Kopf ist frei und die Begeisterung der Anfangszeit ist zurück. Aber dazu später.
Nur 3 Tage? Geht das denn überhaupt? Let’s find out …
Ich sehe das Ganze als Experiment. Gründe dafür gibt es viele. Persönliche und berufliche. Aber die einfachste Erklärung ist wohl die: Ich möchte es gern ausprobieren. Wer sagt denn, das es nicht geht?
Als ich mit dem Texten anfing, hing eine quotables-Karte mit diesem Zitat von Eleanor Roosevelt an meinem Arbeitsplatz:
Do one thing every day that scares you.
Nun gibt es in der Selbstständigkeit ja ausreichend Möglichkeiten, über seine Grenzen zu gehen und zu wachsen. Wenn die Schule das Hamsterrad-Bootcamp ist, dann ist die Selbstständigkeit das Bootcamp für die Persönlichkeitsentwicklung. Man wird zielgenau mit den Themen konfrontiert, vor denen man Angst hat und an denen man noch arbeiten darf – viel unmittelbarer als in einem Angestelltenverhältnis.
Durch das Lettering habe ich gemerkt, dass mir der Entdeckergeist und die „Trial & Error“-Mentalität beim Texten etwas abhandengekommen sind. Es gibt nach wie vor ausreichend „erste Male“, aber die Lockerheit und die Bereitschaft zu sagen „Habe ich noch nie gemacht. Aber klar, probiere ich gerne aus.“ ist geringer als vor vier Jahren. Das ist einerseits verständlich und gut. Immerhin kostet die Überwindung der eigenen Grenzen jedes Mal aufs Neue Energie. Andererseits ist es total schade, weil mir genau das wahnsinnig viel Spaß macht: Neues ausprobieren und mir neues Wissen oder neue Fähigkeiten aneignen. Abgesehen davon bin ich misstrauisch gegenüber Alltag – auch wenn er noch so verführerisch gemütlich ist. Deshalb: Zeit für ein neues Experiment.
Frustration versus Freude – der Zauber des Anfangs
Der Kalligrafie-Workshop Ende Februar in Wien war ein tolles Gesamterlebnis. (Im Herbst wird es bei den sehr empfehlenswerten Masterclasses am Brillantengrund übrigens einen Illustrationsworkshop geben.) Meine ersten Kalligrafie-Versuche hingegen waren überaus frustrierend. Obwohl ich gerne neue Dinge lerne, ist meine Geduld mit mir selbst nicht besonders ausgeprägt. Oder weniger „sugar-coated“ ausgedrückt: Ich hasse es, nicht in gut in etwas zu sein.
Doch ich habe im Workshop auch diesen „Zauber des Anfangs“ gespürt, den Hermann Hesse so schön in seinem berühmten Gedicht „Stufen“ beschreibt.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Für mich ist dieser Zauber bei der Kalligrafie die innere Freude, wenn mir ein Pinselstrich gut gelingt, oder die Tatsache, dass ich mich in der Arbeit komplett verliere. Aber es ist auch der Ehrgeiz, der in mir angestachelt wird, wenn ich ein Video von toller Kalligraphie-Kunst sehe (so wie dieses hier von meinem Lehrer Joluvian). Ich merke, wie schön es ist, die eigene Entwicklung zu beobachten und zu sehen (bzw. im Fall der Pinselführung zu spüren), wie ich mich verbessere. Ich merke auch, wie sich das alles sehr positiv auf meine Arbeit beim Texten überträgt – weil ich auch hier wieder mehr Lust am Experimentieren habe.
Glücklich sein ist nicht nur Selbstzweck
„Do more of what makes you happy“ ist wohl einer der am inflationärsten gebrauchten Sprüche der letzten Jahre. Nichtsdestotrotz hängt ein weißer Holzschnitt mit genau dieser Botschaft in meinem Wohnzimmer. Bisher war es für mich die regelmäßige Erinnerung daran, dass man den Dingen, die einen glücklich machen, im Leben ausreichend Platz einräumen soll. Einfach deshalb, damit man später nicht – wie so viele Menschen – bereut, dass man sein Leben nicht richtig genossen hat.
Doch die Botschaft ist vielschichtiger und stärker: Tue das, was dich glücklich macht. Auch wenn es im Moment nicht viel Sinn ergibt. Du weißt nie, wohin es dich führt. Vielleicht auch nirgendwo hin. Aber selbst das ist nicht weiter schlimm. Denn es wird sich sofort positiv auf alle anderen Lebensbereiche auswirken, dass du dich entscheidest, mehr Freude und Glück in dein Leben zu lassen. Es ist also nicht nur Selbstzweck. Obwohl Glücklich-Sein alleine schon Grund genug wäre.
Bis bald!
Glückliche Grüße
Laura Gschösser